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Chorreise 2008

Ins Land der Schwaben fahren …
Chorreise 2008 des Männerkammerchores Wiesbaden-Sonnenberg

Sonne strahlte das ganze Oktober-Wochenende über das Schwabenland, dem Ziel unserer diesjährigen Chorreise, ein Landstrich, wo Menschen gerne singen. Hier lebte und wirkte Friedrich Silcher. Er war thematischer Schwerpunkt unserer Reise.Sie kennen keinen Silcher? Aber gewiss doch! Aus seiner Feder stammen die Chorsätze wie „Loreley“, „Am Brunnen vor dem Tore“, „Muss i denn zum Städtele naus“ oder „Aennchen von Tharau“. Diese und weitere Silchersätze sind zu Volksliedern geworden und bis heute im deutschen Sprachraum verbreitet.

Friedrich Silcher (1789 – 1860) wurde in der Weinstadt Schnaitz geboren. Es war eine sehr bewegte Zeit damals: In Europa und besonders in Deutschland herrschte Aufbruchsstimmung: Die Herrschaft Napoleons über Europa brach zusammen (1813), in den deutschen Kleinstaaten entstanden nationale Bewegungen. Allerorts wurden Turn-, Gesangs- und Lesevereine gegründet, die neben Körperertüchtigung, Musik und Volksbildung auch hochpolitische Ziele verfolgten, was seinerzeit von der feudalen Obrigkeit strengstens untersagt und mit Kerkerhaft oder Ausweisung bedroht war. Ein Höhepunkt dieser Bewegung, wenn auch kein erfolgreicher Abschluss, war die Frankfurter Nationalversammlung (1848/49) in der Paulskirche, der ersten frei gewählten Volksvertretung Deutschlands.

Und Friedrich Silcher, wenngleich kein politischer Hitzkopf, stand mitten drin im gesellschaftlichen Aufbruch. Silcher pflegte rege Kontakte zu den Dichtern und Denkern seiner Zeit. Auf dem pädagogischen Sektor beeinflusste Johann Heinrich Pestalozzi (1746 – 1826) Silchers Wirken nachhaltig: Elementarbildung für jedermann, und zwar besonders der Kinder und das bereits schon im frühestem Alter. Silcher übertrug dieses Anliegen in den musikalischen Bereich: Musik für jedermann, nicht nur für reiche Fürsten und Bildungseliten. Und so setzte er das Kunstlied von Franz Schubert „Der Lindenbaum - Am Brunnen vor dem Tore“ in einem vierstimmigen Chorsatz für Männerchöre. Diese Vertonung verstand jeder und sicherlich haben viele Leser irgendwann einmal dieses Lied gesungen. Zum Musikdirektor an der Universität Tübingen avanciert, wird Silcher zu einem der prägensten Protagonisten des kirchlichen und weltlichen Chorwesens.




 

Sein von uns besuchtes Geburtshaus in der Weinstadt Schnaitz beherbergt seit 1912 das an Zeitzeugnissen und Originaldokumenten reiche „Silcher-Museum“ des Schwäbischen Sängerbundes. Für uns war es zugleich Freude und Ehre, als Reverenz an den Namensgeber inmitten der Museumsräume ein kleines Nachmittagskonzert zu geben. Die trotz Weinlese und Sonnenschein gekommenen Zuhörer erwiesen sich durchweg als sachkundig und zudem singbegabt. Sie zögerten nicht, der Ermutigung unseres ebenso kenntnisreich wie unterhaltsam moderierenden Chorleiters nachzukommen, den einen oder anderen mehrstimmigen Silchersatz mitzusingen. Als Gastgeschenk überreichte Vorsitzender Robert Jekel der überraschten Kuratorin des Museums aus dem Privatbesitz unseres Bassisten Gert Apfelstedt einen antiquarischen Notendruck gesetzt von Friedrich Silcher.





Vom Museum startet der Silcherweg durch die Weinberge des Remstales. An fünfzehn Stationen zeigen hier Tafeln keine Übungen zur Fitness, sondern den Text eines Volksliedes in Erwartung, der Wanderer möge erst weiter gehen, wenn er dieses, vielleicht mit zufällig vorbeikommenden Weggefährten, gesungen hat. Zur Freude anderer Weinbergswanderer gaben wir unser Bestes. Die Nachmittagssonne strahlte auf die rot, gold, grünen Blätter der Trollinger Reben – zahlreiche Winzer ernteten gerade die dunklen Trollinger Weintrauben. Die Rebhänge waren nicht wie im Rheingau gesperrt, im Gegenteil, eine Winzerin bot uns an, von den reifen, zuckersüßen Trauben zu naschen. Unser musikalischer Spaziergang endete in einer Kelterei. Und was ist köstlicher, als frisch gepressten Federweisen an der Quelle zu genießen!





Tags darauf erlebten wir In der Johanniskirche zu Esslingen einen Sonntagsgottesdienst mit, den wir mit dem Eingangslied „Kyrie“ aus Schuberts Deutscher Messe, der Motette „In Nomine Jesu“ von Jacobus Gallus und Mendelssohns „Periti Autem“ bereichern durften




 

Schließlich schon Tradition auf unseren Chorreisen ein kleines Konzert in einem Seniorenheim. Im Plochinger Johannesstift empfingen uns die Bewohner mit teilweise mehrstimmigen Gesang. Sie waren mitsamt Familienangehörigen im lichtdurchfluteten Atrium des Stifts versammelt und stimmten sich – freilich im Rahmen ihrer eingeschränkten stimmlichen Möglichkeiten – mit Volksliedern auf unser Konzert ein. Wie nicht anders zu erwarten, trafen wir gerade hier mit Werken von Schubert, Schumann, Mendelssohn, Dvorak und Silcher und anderen Meistern der Romantik den Geschmack der Zuhörer



Eigenlob hat – um im schwäbischen Tonfall zu bleiben - immer ein „Geschmäckle“. Anerkennung von Dritten hingegen ist unverdächtig, freut uns. Zwei Dankschreiben möchte ich auszugsweise zitieren:

Unser Plochinger Begleiter schrieb: „Ihr habt bei Eurer Chorreise ins Schwabenland eindrucksvoll bewiesen, dass auch ein kleiner Chor sein Publikum begeistern kann und der Funke überspringt. Den neutralen Beobachtern sind Tränen der Freude nicht verborgen geblieben. Eure Stärke ist, mit Eurem Gesang die Herzen der Zuhörer zu bewegen und es gelingt Euch, völlig authentisch die Gefühle und Aussagen der musikalischen Beiträge zu transponieren. Liebe Sänger des Männer-Kammerchores Wiesbaden-Sonnenberg behaltet Euren "Spirit", seid kritisch und weltoffen und singt in vielen Sprachen als wichtigen Beitrag zur Verständigung der Menschen verschiedener Kulturen und Völker.“

Die Kuratorin des Silcher-Museum schrieb unter anderem: „Es war ein schönes „Konzertle“ und hat uns gut gefallen. Das antiquarische Notenheft (8. Heft, op. 71, gesetzt von Friedrich Silcher) ist eine Rarität. Nochmals vielen Dank. Alles Gute und viel Erfolg weiterhin!“

Der Chor beabsichtigt nicht, sich in diesem Lob zu sonnen. Vielmehr wollen wir mit unserem Gesang andere Menschen und uns selbst erfreuen. Und wenn dies, wie hier offenbar gelungen, dann ist das allemal der Mühe Wert.