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Bericht eines Sängers



Zu dem Wettgesange schreiten …
Männer-Kammerchor Wiesbaden-Sonnenberg auf Konzertreise

… zwar nicht die Minnesänger herbei, sondern der Männer-Kammerchor Wiesbaden-Sonnenberg besuchte eine Hochburg des Gesangs in Deutschland und fuhr vom 12. bis 16. des Wonnemonats Mai in die Musikstadt Sondershausen in Thüringen.



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Vormittags, vor dem Konzert im Konzertsaal ders Besucherbergwerkes, machten wir eine Bergwerksbesichtigung. Der Weg führte uns durch oberirdische Maschinenhallen und dann über Förderkörbe mit jeweils 8 Personen im Dunkel hinunter in 670 m Tiefe. Dort angekommen bestiegen wir einen Kleinlaster mit dem wir einen Teil der unterirdischen Grubenstraßen befuhren.



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Eröffnet wurde das Konzert Im unterirdischen Konzertsaal des Besucherbergwerkes "Glück auf" am Samstag durch die Sondershäuser Madrigalisten. Mit dem passenden Lied „Nun fanget an ein gut’s Liedlein zu singen“ von Hans Leo Hassler stimmten sie die Zuhörer auf den Gesangsvortrag ein, gefolgt von einer slawischen Volksweise. Der Männerkammerchor setzte dann das Konzert fort.

Auch wenn es kein Gesangs-Wettstreit wie Weiland bei den Minnesängern wurde, so wollte der Kammerchor eine gute musikalische Visitenkarte in der traditionellen Hochburg des Gesangs abgeben. Die vorgetragenen Lieder waren freilich speziell für die derzeitige Besetzung des Chores als Doppelquartett ausgewählt. Das vorgetragene Repertoire umfasste Lieder unterschiedlicher Stilrichtungen in der Absicht, die Vielseitigkeit des Gesangs den Zuhörern zu vermitteln und hier und da ihren Geschmack zu treffen.

Die Romantiker waren mit Franz Schubert, Robert Schumann und Felix Mendelssohn-Bartholdy vertreten, mit „Durch Wald und Tal“ von Leonhard Lechner war die Renaissance repräsentiert, mit dem Barbershop-Song „My Evaline“ aus dem 19. Jahrhundert wurde das Feld der Closed Harmony beschritten, gefolgt vom Jazz-Swing-Standard „Chattanooga Choo Choo“, den Glen Miller mit seinem Orchester weltberühmt machte. Natürlich durften ein paar Volkslieder, speziell für Männerchor von Friedrich Silcher gesetzt, nicht fehlen. Auch wenn die Bergwerkshalle akustisch die hohen Töne eher verschluckte und die trockene Luft des Salzbergwerks immer wieder einen Schluck Wasser erforderte, so stellte sich der Chor bei seiner Probe unter Tage auf diese besondere Situation ein.

Zum Abschluss sangen beide Chöre zusammen einige Variationen aus „Die launige Forelle“ von Franz Schöggl über Schuberts „Forellenquintett“. Eine besondere Referenz erwies der Männer-Kammerchor dem anwesenden Komponisten Heinz Unger, der für diesen Besuch den vierstimmigen Satz „O sancta Barbara!“ komponierte. Tief im Bergwerk erscholl als Welturaufführung sein Werk, in dem die Bergmänner die Schutzheilige des Bergbaus, die wundermilde Barbara grüßen, preisen und mit dem Bergmannsgruß „Glück auf!“ um Bewahrung für alle Menschen im Berg bitten.

Gesang verbindet. Das zeigte sich auch beim gemütlichen Zusammensein mit den Madrigalisten am Abend. Munter wurden noch einige Liedchen intoniert, Adressen ausgetauscht, Einladungen ausgesprochen. Noch immer bemerkte ich im Gespräch durch Nachfragen die unterschiedliche Vergangenheit der Menschen aus Ost und West. Die Sorge um die Arbeitsstelle ist deutlicher spürbar als bei uns im Westen, die Herausforderungen, das Leben zu meistern, belastender. Das Miteinander ist sicherlich unkomplizierter geworden, das Denken in Ost und West aber noch tief verwurzelt und eher hinderlich, als verbindend. Um so mehr gilt es, Kontakte und Austausch zu pflegen, sich verstehen zu lernen, Freuden miteinander zu teilen und Trennendes nicht wichtig werden zu lassen und das Verbindende des Gesangs dafür zu nutzen.




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Am Sonntag durften wir zwei Gottesdienste mit unserem Gesang feierlich mitgestalten. Es war der 4. Sonntag nach Ostern „Kantate“ (nach dem Beginn des Introitus: Cantate „Singet“ / Psalm 97). Was lag näher, die Bedeutung dieses Sonntags durch Chorgesang zu unterstreichen? Den Gottesdienst in der prächtigen Stadtkirche „Trinitatis“ eröffnete die Motette „In nomine Jesu“ (Im Namen Jesu) von Jacobus Gallus. Die Taufe wurde verschönt mit dem vierstimmigen Satz „Periti autem“ („Es strahlen hell die Gerechten, sie leuchten im Glanz des Herrn“) von Felix Mendelssohn und das Abendmahl begleitet durch das „Sanctus“ („Heilig bist du Herr, Gott“) aus der Messe in F von Josef Gabriel Rheinberger. Im Wissen, am Sonntag Cantate in den Lobgesang als Chor mit eingestimmt zu haben, und mit einem vielstimmigen Dankeschön der Gottesdienstbesucher wurden wir verabschiedet. Nicht ohne uns zuvor stolz die kleine, aber exquisite Kirchenbibliothek mit vielen Exemplaren von Erstdrucken aus dem Jahrhundert nach Gutenberg, darunter auch eine Lutherbibel, zu präsentieren. Erlesene, einmalige Buchexemplare, für die eine geeignete Aufbewahrung geschaffen wurde, die aber aufwändig vor weiterem Zerfall gerettet werden müssen.



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Welch ein Kontrast beim Kantate-Gottesdienst in der Dorfkirche von Schernberg am Sonntag-Nachmittag! Die Gemeinde zählt sicherlich zu den ärmsten, die ich in Deutschland besucht habe. Die alte Kirche in Schernberg, einem kleinen Dörfchen in der Nähe von Sondershausen, war zwar eingerüstet, wahrscheinlich, um sie vor dem weiteren Zerfall zu retten. Innen unverputztes Gemäuer, die dicken Kirchenwände verbreiteten fröstelnde Kühle, eine Heizung gab es nicht. Ein paar Strahler erhellten dürftig den Alterraum. „Wir beginnen den Gottesdienst etwas später, unsere Kirchturmuhr geht einige Minuten nach“, entschuldigte sich die Pfarrerin. Die Orgel auf der kleinen Empore verstaubte, sie war nicht bespielbar und auch unsere Versuche, ihr wenigstens ein paar Klänge zu entlocken, scheiterten kläglich trotz kräftigen Blasebalgtretens des Küsters. Eine kleine, aber doch beachtenswerte Schar versammelte sich in der Kirche zum Gottesdienst. „Bitte stimmen Sie die angezeigten Lieder an und singen Sie kräftig mit, wir sind sonst eher ein verzagtes Singen gewöhnt.“ Ehrensache, dass unser Chorleiter Holger Wittgen nach einem kurzen, gesanglichen Introitus jedes Lied kräftig anstimmte und Gemeinde und Chor einfiel.

Die echten Kerzen des vielflammigen, großen Kandelabers waren angezündet und strahlten ihr warmes Licht in den düsteren Kirchenraum. Aufmerksam lauschte die Gemeinde den harmonischen Klängen des Chorgesangs und wir verfolgten Liturgie und Auslegung des Predigttextes zum Sonntag. Die Gemeinde empfand den Gottesdienst sicherlich als etwas Besonderes. Als verkündet wurde, der Chor präsentiere noch einen kurzen Auszug aus seinem weltlichen Konzert, verließ keiner die Kirche. Alle lauschten aufmerksam den Klängen, die durchs Kirchenschiff schwebten und verhallten. Zum Schluß waren sich die Aktiven einig, selten eine bessere Akustik erlebt zu haben.

Zum Dank wurden wir danach mit wunderbar schmackhaftem, selbstgebackenem Kuchen und warmem Kaffee bewirtet. Selten hatte mir der Kuchen so gut geschmeckt wie in Schernberg. Herzliches Winken beim Abschied, als uns der Schweizer Postbus, gefahren von unserem Chorleiter, wieder nach Sonderhausen zurückbrachte.



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Am Montag stand der Empfang beim Bürgermeister von Sondershausen und seinem Vertreter im Stadtrat-Saal des Rathauses an. Auch hier bedankte sich die Gemeinde für unseren Chorbesuch. Klar, dass der Bürgermeister uns die Bedeutung von Sondershausen als Musik- und Bergwerksstadt erläuterte. Mit „Morgen muss ich fort von hier und muss Abschied nehmen“ bedankte sich der Chor artig für den Empfang. Bei der Stadtführung ließen wir uns Historie und Schönheiten der Stadtmauer, des Schlosses, das wunderschön renoviert als Musikakademie genutzt wird, der Trinitatiskirche mit ihrem schiefen Kirchturm, erklären und zeigen.



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Und noch ein Auftritt im DRK-Altenheim in Sondershausen. Der große Raum war gefüllt mit Frauen und Männern, die hier ihren Lebensabend verbringen. Geduldig erwarteten sie uns und wir legten gleich los. Natürlich begannen wir wie bei fast allen Auftritten mit Schumanns Lied „Die Minnesänger“, aber dann bestimmte Silcher mit seinen zahlreichen Volksliedern das Programm. Und siehe da, eine Reihe von Zuhörern sang mit, den Text noch sehr wohl präsent im Kopf. Dem Chor bereitete es sichtlich Freude, in „Wettstreit“ mit den sangesfreudigen Menschen des Altenheims zu treten.



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Auf der Rückfahrt nach Wiesbaden ein Abstecher auf die Wartburg bei Eisenach. Hier, wo der Sängerwettstreit der Minnesänger wirklich im Festsaal stattfand, schließt sich der Kreis unserer Konzertreise.



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Auch wenn für den kleinen Kammerchor jeder Auftritt eine Herausforderung war, um den Zuhörern nicht flachen Chorgesang zu bieten, auch wenn es galt, sich an unterschiedliche, akustische Gegebenheiten der Räume anzupassen, die Stimme geschmeidig und locker zu halten (manches Salbei-Bonbon wurde auf der Reise gelutscht), so haben sich die Mühen gelohnt. Gemeinsame Erlebnisse verbinden die Mitglieder des Chores enger, andere Menschen erfreuen schlägt Brücken, andere Chöre kennen zu lernen erweitert den Horizont. Wir freuen uns schon auf die nächste Konzertreise im kommenden Jahr.

für den Männer-Kammerchor Wiesbaden-Sonnenberg
Hans Körner